Donnerstag, 12. September 2013

Am Ende eines sehr großen Sommers

Herr: Es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren
und auf den Fluren laß die Winde los.

 
Befiehl den letzten Früchten reif zu sein
gib Ihnen noch zwei südlichere Tage
dräng sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.


Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr
wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird lesen, wachen, lange Briefe schreiben
und wird auf den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.


Rainer Maria Rilke







Am Ende eines sehr großen Sommers stehen wir in der Tat - und tun uns schwer mit dem September - und dem Aktionismus, der diesem stets anhaften will. Neubeginne vorschützt, die in Wirklichkeit keine sind. Schon früher mochten wir ihn nicht sehr; es war der Monat, in dem die Schule begann, was an sich nicht schlimm gewesen wäre, denn wie oft startete man energiegeladen und hoffnungsfroh auf einen neuen Anfang, - um nur nach wenigen Tagen bitter enttäuscht festzustellen, dass sich nichts grundlegend geändert hatte, und wir uns in einer Zeitschleife wiederzufinden meinten: "Und täglich grüßt das Murmeltier!" Dass sie uns eingeholt hatten, jene bleischweren, zähflüssigen Tage, die uns lähmten und zu Boden zogen, uns die Energie nahmen, so dass wir uns fragten: Wie kann dies sein?


Der September hat selten Gutes im Gepäck, bevorzugt beginnen in ihm irgendwelche neuen Kriege, eröffnen neue Schauplätze des Grauens, als wenn es an ihnen auf diesem Erdball irgendeinen Mangel gäbe. Und diejenigen, die ein persönliches Interesse damit verfolgen, wollen uns einreden, diese müssten sein und brächen nun einmal aus. Aber wir wissen es besser: Kriege - heiß oder kalt - brechen nicht aus, sie "passieren" nicht einfach so. Sie werden angezettelt! Und diese Erkenntnis ist nicht unbedingt dazu angelegt, uns froher zu stimmen. 

Der Sommer hingegen hat uns entschädigt für einen lichtlosen, grauen Winter und einen Frühling, der zu spät kam und zu kurz währte, um den wir uns betrogen fühlten. Jedoch während desselben bezog ich neue vier Wände, was mir zudem das Glück bescherte, nun mit einer Katze - oder genauer gesagt: einem Kater - unter demselben Dach zu leben, der mehrmals täglich bei mir vorbeischaut, seinen hellen Lieblingsplatz an meinem Tisch unter dem Dachfenster einnimmt und mir schnurrend beim Arbeiten Gesellschaft leistet, so dass ich sogar das Prasseln des Regens auf den Scheiben zu lieben und als Musik zu deuten begonnen habe. 


 
Es folgte ein Juni, wie ich ihn nur aus früheren Tagen in Erinnerung hatte, trocken-heiß, mit einem unwirklich hohen Himmel über dem frischen Grün der Wälder und Felder. Klare Luft mit Fernblick zu den Hügeln der Mittelgebirge. Lerchengesang und das Summen von tausend Bienen und Hummeln in den hellen Wipfeln der blühenden Robinien. Heckenrosen aller Schattierungen entlang des Weges, leuchtender Mohn, in versteckten Winkeln Wiesen voller lange entbehrter Wildblumen mit unwirklich anmutenden Namen wie Kuckuckslichtnelke, Schafgarbe, Skabiose und Klappertopf. Silbern im Licht flimmernde Gräser. Tiefblaue Falter treten zum Himmel in Konkurrenz. Der Gesang einer Dorngrasmücke in der Hecke. Bittersüßer Duft des Holunders. Frosch- und Grillenkonzerte, vielstimmig, an den Teichen. Blaugrüner Libellentanz im schwertliliengelben Schilf. Altehrwürdigen Bäumen ihre Geschichten ablauschen. Lange währende, helle Dämmerungen.



 

Dann der Julihimmel, wegwartenblau, storchschnabelviolett, Mauerseglern die Kulisse für deren Kunstflug bietend, für Fernweh sorgend: nach Augusttagen am Meer. Diese alsbald im Mecklenburgischen verbracht - Seewind, Kiefernwälder, Heidesand - und die Entschleunigung des Landlebens genossen. Lange aufgeschobene Begegnungen mit lieben, alten Freunden und Gewinn vieler neuer Erkenntnisse, an welchen der Sommer insgesamt sehr reich war.



Steilküste auf Fischland



Warnowdurchbruchtal





An der Warnow bei Klein Raden


Windmühle Ruchow


Die wichtigste Gewissheit, die sich einstellen wollte: Jene, die richtigen Entscheidungen getroffen und den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, den es sich weiterzuverfolgen lohnt. Und der Vorsatz, mich nicht beirren zu lassen. 


Was Herausforderung bleibt: Die Balance finden zwischen Leben und Schreiben. Die Idee zu diesem Blog, an den ich mich trotz Zeitmangels wagen will, entstand, nachdem ich auf meiner Homepage Betty's Corner leider alle interaktiven Seiten schließen musste, da ich mich der Spams nicht mehr anders zu erwehren wusste. Auch ließen sich die Blogs auf der Website nur mit sehr viel Aufwand pflegen. Neben unseren aktiven literarischen Blogs LiteraturFreundIn und Betty's Büchergarten  führte Betty's Corner eher eine Existenz am Rande. Dies ist nun ein Versuch, die Seite wieder mit Leben zu füllen und neben Literarischem auch Platz für Persönliches zu finden, das über die üblichen kurzen Postings in den Sozialen Netzwerken hinausgeht.

So dies nun als Versuch, uns im Herbst einzurichten und auf die Vorgänge um uns herum ein kritisches Augenmerk zu behalten.

Auf bald, mit herzlichen Grüßen!

Bettine
 

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